Fundtiere

Richtlinie über die Verwahrung von Fundtieren

Gl.-Nr.: 4031.1 – Fundstelle: Amtsbl. Schl.-H. 1994 S. 318

Gemeinsamer Erlaß der Ministerin für Natur und Umwelt und des Innenministers vom 30. Juni 1994 – XI 340 – 72253/IV 260 – 212.8.04 –

Tierschutz hat in Schleswig-Holstein einen hohen Stellenwert. Dies wird auch im Tierschutzbericht der Landesregierung besonders deutlich. Die Bürgerinnen und Bürger, die Tierschutzverbände sowie die Landesregierung haben sich insbesondere in den letzten Jahren für weitere Verbesserungen bezüglich des Schutzes der Tiere als Mitgeschöpfe verstärkt eingesetzt. Im Tierschutzbericht der Landesregierung wird eine Reihe von vorwiegend ethisch begründeten Zielen und der damit verbundene Handlungsbedarf bezüglich des praktischen, caritativen Tierschutzes, zu dem die gesamte Gesellschaft einschließlich die öffentliche Hand aufgerufen ist, dargelegt.

Die ethische Verpflichtung einer Gesellschaft, die Anspruch auf Zivilisation erhebt, verstärkt auch den Ruf nach geeigneten Maßnahmen, die auf einer neuen Mensch-Tier (Umwelt)-Beziehung beruhen. Diese qualitativ inhaltlich neue Beziehung muß von Respekt und Würde für die Kreatur geprägt sein, wobei das Wohl der Tiere, deren Leben und Wohlbefinden im Vordergrund stehen und in angemessener Weise berücksichtigt werden müssen.

Gemäß der Landesverordnung vom 18. Oktober 1976 (GVOBI. Schl.-H. S. 266) sind für die Durchführung des Fundrechts (s. §§ 965 bis 984 i.V.m. § 90 a BGB) die Bürgermeister der amtsfreien Gemeinden und die Amtsvorsteher als örtliche Ordnungsbehörden zuständig. Sie sind verpflichtet, auch Fundtiere entgegenzunehmen und entsprechend zu verwahren (s. insbesondere §§ 966 bis 968 BGB). Die Tiere müssen gemäß § 2 Tierschutzgesetz (TierSchG) in der Fassung vom 17. Februar 1993 (BGBl. I S. 254) ordnungsgemäß untergebracht und betreut werden. Soweit die Fundbehörde für die nach dem Tierschutzgesetz geforderte Unterbringung und Betreuung nicht in eigenen Einrichtungen sorgen kann, hat sie die Tiere einer geeigneten Person oder Stelle – in der Regel einem Tierheim – zu übergeben und die erforderlichen Aufwendungen dafür zu tragen. Die Verpflichtung zum Ersatz der Aufwendungen besteht auch dann, wenn der Finder das Tier nicht bei der Fundbehörde, sondern unmittelbar bei der von ihr mit der Unterbringung und Betreuung beauftragten Person oder Stelle abgegeben hat. Voraussetzung ist, daß der Anzeigepflicht des Finders gemäß § 965 Abs. 2 BGB genügt wird. Die Anzeige kann auch durch die mit der Unterbringung beauftragten Person oder Stelle z.B. dem Tierheim oder Tierschutzverein vorgenommen werden.

Zu den Aufwendungen, die die Fundbehörde zu erstatten hat, gehören die Kosten für eine artgemäße Unterbringung, Pflege und Ernährung im Sinne des § 2 Tierschutzgesetz. Dazu gehören auch die Kosten für notwendige tierärztliche Behandlungen der Fundtiere, um die Gesundheit des Tieres zu erhalten oder wiederherzustellen, also die Behandlungskosten für Verletzungen und akute Krankheiten sowie für unerläßliche prophylaktische Maßnahmen (z.B. Impfungen, Entwurmungen).

Unerläßlich sind in der Regel Impfungen, die erforderlich sind, um einer Ausbreitung von Infektionskrankheiten innerhalb der Tierheime vorzubeugen (z.B. bei Hunden Grundimmunisierung gegen Staupe, HCC – ansteckende Hepatitis -, Parvovirose und Leptospirose, bei Katzen Grundimmunisierung gegen Katzenseuche und Katzenschnupfen). Die Erstattungspflicht der Gemeinden für die Kosten einer tierärztlichen Behandlung verletzter oder krank aufgefundener Tiere besteht auch dann, wenn der Finder das Tier unmittelbar zu einem Tierarzt bringt, sofern die Behandlung unaufschiebbar war. Auch dann gilt die Anzeigepflicht des Finders gemäß § 965 Abs. 2 BGB (gemäß einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag, vgl. z.B. BVerwGE 80, 170 ff.).

Würden die Kosten in diesen Fällen dem Finder auferlegt, müßte befürchtet werden, daß die Bereitschaft der Bürger, sich verletzter Tiere anzunehmen, erheblich beeinträchtigt würde. Dies liefe dem Grundgedanken des Tierschutzgesetzes, Leben und Wohlbefinden des Mitgeschöpfes „Tier“ (s. a. § 90 a BGB) zu schützen, zuwider. Da der öffentlichen Hand eine besondere Verpflichtung zukommt, auf die Einhaltung von Gesetzen hinzuwirken und darüber hinaus auch die Verwirklichung gesetzgeberischer Ziele im allgemeinen zu fördern, ist vorliegend eine Kostentragungspflicht der Behörde gegeben. Dies gilt in Anlehnung an § 970 BGB in der Regel dann, wenn das Tier nicht selbst verwahrt, sondern unverzüglich bei der Fundbehörde abgeliefert wird.

Eine klare Abgrenzung von Fundtieren zu herrenlosen Tieren ist in der Praxis äußerst problematisch. Es ist naturgemäß zunächst nicht erkennbar, ob der bisherige Eigentümer das Eigentum an dem Tier aufgegeben hat oder nicht. In der Praxis wird deshalb zunächst davon auszugehen sein, daß es sich um ein Fundtier handelt, welches von dem Finder oder von der zuständigen Behörde zu verwahren und zu versorgen ist. Dies ist auch im Einklang mit § 1 Tierschutzgesetz schon aus ethischen Gründen geboten (Ethik ist unteilbar) und zwar unabhängig von der Frage bezüglich ihrer Eigenschaft als Fundtiere. Dies gilt umsomehr als nach § 3 Abs. 3 des Tierschutzgesetzes es verboten ist, ein im Haus, Betrieb oder sonst in Obhut des Menschen gehaltenes Tier auszusetzen oder es zurückzulassen, um sich seiner zu entledigen. Zudem ist nach Einfügung des § 90 a BGB das Tier keine Sache mehr. Somit kann der Eigentümer mit seinem Tier nur unter Beachtung der Tierschutzbestimmungen (s. § 903 Satz 2 BGB) verfahren. Die Aufgabe des Eigentums ist daher nicht durch einfachen Verzicht wie bei einer beweglichen Sache (§ 959 BGB) möglich, da diese Art der Besitzaufgabe durch § 3 Nr. 3 Tierschutzgesetz i.V.m. § 903 Satz 2 BGB verboten ist.

Wenn sich nach vier Wochen ein Eigentümer des Tieres nicht gemeldet hat, kann in der Regel angenommen werden, daß der Eigentümer die Suche nach dem Tier aufgegeben oder es unter Verstoß gegen § 3 Nr. 3 Tierschutzgesetz ausgesetzt hat (widerrechtliche Eigentumsaufgabe). Das Tier soll dann der bisher beauftragten Person oder Stelle (dem Tierschutzverein) zur weiteren Betreuung überlassen werden. Die Erstattungspflicht für die Aufwendungen kann damit enden.

Es handelt sich bei der Problematik gebündelt um Maßnahmen im Bereich des Tierschutzes, der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit sowie des Gesundheitsschutzes für Mensch und Tier, also insgesamt wichtige öffentliche Belange. Es wird daher den zuständigen Behörden empfohlen, einzeln oder gemeinsam mit Nachbargemeinden – auch für evtl. größere Einzugsbereiche (überregional) – entsprechende Vereinbarungen (evtl. Pauschalvereinbarungen) mit den jeweiligen Tierschutzvereinen zu treffen. Hierdurch sollen einerseits Tierheime bzw. Tierschutzvereine mit der Unterbringung und Betreuung der Tiere beauftragt und andererseits eine Übernahme der Kosten durch die zuständigen Behörden als Gegenleistung für die geleisteten Dienste (im Auftrage der Gemeinden) zugesichert werden.

Es ist anzumerken, daß eine Pauschale, die die Übernahme aller Erstattungsverpflichtungen der Gemeinde – auch gegenüber Dritten – abgilt, nicht nur der Verwaltungsvereinfachung dient, sondern sowohl für die Gemeinden als auch für die Tierschutzvereine den Vorteil hat, daß die für die Fundtiere aufzuwendenden und zur Verfügung stehenden Mittel vorhersehbar und damit einplanbar sind. Für die Berechnung der Tagessätze (Erstattungssätze) wird eine ordentliche Buchführung vorausgesetzt. Auf die Notwendigkeit der guten Organisation sowie einer guten Buchführung durch die Tierheime wird hingewiesen.

Weitere Auskünfte und Beratung erhalten Sie beim Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Referat 36 – Postfach 50 09 – 24062 Kiel – Fr. Dr. Michaele Sekulla – Telefon: 0431/ 988 7321 – Fax: 0431/ 988 7239